Schulische Inklusion: Kostenübernahme für eine Begleitperson während einer Klassenfahrt

Das Verwaltungsgericht Halle hat mit Urteil vom 05.09.2018, Az. 7 A 149/19 Hal und 7 A 55/17 HAL entschieden, dass Eltern von Kindern mit Asperger-Syndrom Anspruch auf Kostenerstattung für die Begleitung der Kinder während einer Klassenfahrt haben.

Die beiden Schüler des zugrunde liegenden Falls haben das Asperger-Syndrom. Während ein Schüler in der 9. Klasse den Schulalltag ohne Schulbegleiter bewältigt, benötigt der andere Schüler in der 3. Klasse eine Schulbegleitung.

Der Schüler der 9. Klasse nahm im Frühjahr 2016 im Rahmen des Französischunterrichts an einem Schüleraustausch mit der Partnerschule in Frankreich teil. Die Unterbringung erfolgte in Gastfamilien. Für den Drittklässler erfolgte eine Klassenfahrt in das Vogtland. In beiden Fällen beantragten die Eltern der Schüler die Übernahme der Kosten einer Begleitperson bei der Klassenfahrt, ausnahmsweise jeweils durch die Mutter.

Der Leistungsträger lehnte die Kostenerstattung mit der Begründung ab, für ein oder zwei Mal im Jahr stattfindende Schülerfreizeiten oder Klassenfahrten müsse ein etwaiger Bedarf an Integrationsbegleitung für den Schüler durch die elterliche Einstands- und Bestandspflicht gem. § 1618 a BGB erfüllt werden. Diese Absicherung schulischer Veranstaltungen über Nacht gehöre hingegen nicht zu den Aufgaben der Eingliederungshilfe.

Demgegenüber war das Verwaltungsgericht Halle der Ansicht, der Leistungsträger sei zur Übernahme der durch die Begleitung der jeweiligen Mütter entstandenen Kosten verpflichtet und führte zur Begründung aus, dass die Begleitung der Mutter zu einer Klassenfahrt die aus § 1618 a BGB folgende familiäre Beistandspflicht überdehne. Zwar seien innerfamiliäre Hilfemöglichkeiten zu nutzen. Um aber eine Diskriminierung von Familien mit behinderten Kindern zu vermeiden, sei die Pflichtgrenze dort zu ziehen, wo die Hilfe für das behinderte Kind über das Übliche und Typische bei der Erziehung und Betreuung eines nichtbehinderten Kindes hinausgehe. Dementsprechend dürfe dem Anspruch der Kläger nicht die elterliche Beistandspflicht entgegen gehalten werden. Die Begleitung eines Kindes zu einem mehrtägigen Schüleraustausch sei eine Hilfe, die über das hinausgehe, was üblicherweise bei der Erziehung und Betreuung eines nichtbehinderten Kindes erbracht werde. Sie erfolge, um den Schüler bei seinen behinderungsbedingten Schwierigkeiten zu unterstützen und diene damit der Integration des Klägers. Es handele sich also um eine allein der Behinderung des Schülers geschuldete Begleitung und hat keine schulspezifische Bedeutung, etwa durch die Verstärkung der allgemeinen Aufsicht.

Das vorliegende Urteil verdeutlicht in erfreulicher Weise den Anspruch von behinderten Kindern auf eine zusätzliche Unterstützung während einer Klassenfahrt. In vielen Fällen lehnen die Leistungsträger den Anspruch ab und weil die Zeit drängt, ist Eile geboten. Das Urteil sollte betroffenen Familien mit Kindern mit Autismus Mut machen, ihren Anspruch durchzusetzen; im Wege einer Sebstbschaffung mit Erstattungsanspruch nach § 18 Abs. 6 SGB IX bzw. § 36 a Abs. 3 SGB VIII oder gegebenenfalls mit anwaltlicher Unterstützung in Form einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b SGG bzw. § 123 VwGO. Mitunter ist es schwierig, eine geeignete Begleitperson zu finden, wenn zum Beispiel die regelmäßig tätige Schulbegleitung aufgrund eines Teilzeit-Arbeitsvertrages nicht zur Verfügung steht. Unabhängig davon besteht aber in jedem Falle die Verpflichtung des Leistungsträgers, die Kosten für eine Begleitperson zu übernehmen. Die erforderliche Begleitung ist nicht primäre Aufgabe eines Elternteils, wie das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle zeigt, sondern es kann eine externe Begleitperson eingesetzt werden.

Quelle: Autismus.de

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